Alternative Jahresawards 2014: Keine Panik auf der Champs-Élysées

Steffen Trenner 31.12.2014

Die alternativen Jahresawards 2014

Zum Abschluss unserer Serie hier in loser Reihenfolge die mal mehr, mal weniger ernst gemeinten alternativen Awards mit allem was übrig blieb von einem erfolgreichen Bayern-Jahr 2014. Wir wünschen Euch einen guten Start ins neue Jahr!

Defensiv-Spieler des Jahres: Jerome Boateng

Individuelle Awards sind immer so eine Sache. Und auch wenn Arjen Robben den Titel des Miasanrot-Spieler des Jahres zurecht einheimste, ist es immer schwer aus einem starken Kollektiv einen Spieler ultimativ herauszuheben. In anderen Sportarten wie zum Beispiel im Basketball ist es durchaus üblich, neben dem insgesamt besten Spieler auch den besten Defensiv- oder besten Bankspieler herauszuheben. Eine durchaus sinnvolle Tradition, die wir aufgreifen wollen.

Jerome Boateng hat ein unglaubliches Jahr hinter sich. Boateng hat sich im Jahr 2014 endgültig von einem sehr guten zu einem herausragenden Innenverteidiger entwickelt. Der Kicker gab ihm im gesamten Kalenderjahr in der Bundesliga drei Mal eine schlechtere Note als eine 3. Auf der anderen Seite zeigte der Nationalspieler überragende Leistungen zum Beispiel im Pokalfinale, im Hinspiel gegen Manchester City oder in beiden Spielen gegen Rom. Mit der Weltmeisterschaft setzte auch er sich die Krone auf. Im Finale gegen Argentinien war er und nicht Hummels der entscheidende Stabilisator. Insgesamt kommt man beim 26-Jährigen auf vielleicht 5 wirklich unterdurchschnittliche Spiele im abgelaufenen Jahr. Bei insgesamt 40 Pflichtspielen ein bemerkenswerter Fakt.

Boateng hat wenig Probleme mit den komplexen Anforderungen von Guardiola. Er ist eindeutig der involvierteste Aufbauspieler in der Innenverteidigung und kann sowohl mit scharfen Vertikalpässen als auch mit langen Diagonalbällen überzeugen. Defensiv ist er in Sachsen Schnelligkeit, Kopfballstärke und Zweikampfhärte ohnehin der Prototyp eines Weltklasse-Innenverteidigers. Boatengs Jahr 2014 wird schwer zu toppen sein. Auch deshalb ist er für uns der Defensivspieler des Jahres.

Sorgenkind des Jahres: Thiago

Auch wenn es insgesamt ein sehr erfolgreiches Jahr des Rekordmeisters war – Sorgenkinder gab es trotzdem genug. Die langen Verletzungen von Schweinsteiger und Martínez. Der Rückschschlag bei Badstuber nach geglücktem Comeback. Der unglückliche Hojbjerg, der enttäuschende Shaqiri oder der enttäuscht abgewanderte Mandzukic. An Thiago führt in diesem Jahr trotzdem kein Weg vorbei. Gerade einmal 13 Pflichtspiele absolvierte der hochveranlagte Spanier im Jahr 2014. In der laufenden Saison kam er nach dem dritten Innenbandriss innerhalb von drei Monaten überhaupt noch nicht zum Einsatz – Hickhack um Behandlungsmethoden inklusive. Sein Fehlen als Nadelspieler machte sich gerade in den Partien gegen Real Madrid im Frühjahr bemerkbar – ansonsten war es bemerkenswert, wie die Mannschaft den langfristigen Ausfall dieses Schlüsselspielers wegsteckte. Thiago war eindeutig das Sorgenkind des Jahres 2014.

U21-Spieler des Jahres: Gianluca Gaudino

Eigentlich hätte hier Pierre Hojbjerg stehen sollen, aber der junge Däne machte im abgelaufenen Jahr trotz eines ganz wichtigen Moments im Pokalfinale nicht den großen Schritt, den viele erwartet haben. Auch Julian Green hatte trotz seiner Ausleihe zum HSV kaum Gelegenheiten sich auszuzeichnen. Gleiches gilt bisher für Neuzugang Sinan Kurt. Gaudino spielte sich im Sommer quasi aus dem Nichts in den erweiterten Kader. Allein das ist für einen gerade 18-Jährigen ein gewaltiger Schritt. Gaudino hat einen weiten Weg vor sich, um ein wesentliche Bestandteil der Mannschaft zu werden. Seine Technik, sein Spielverständnis und seine Unbekümmertheit sind allerdings wichtige Grundlagen, um auch in den kommenden Jahren die nächsten Schritte zu gehen. Seine Robustheit und seine Entscheidungsschnelligkeit sind dabei zwei wichtige Baustellen an denen er weiter arbeiten muss. Immerhin fünf Pflichtspieleinsätze bei den Profis stehen für ihn im Jahr 2014 zu Buche.

Fan-Gesang des Jahres: „Keine Panik auf der Titanic“

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Es war der 6:0-Erfolg gegen Werder Bremen in der Hinrunde der laufenden Saison. Weil die Bremer Fans mit Blick auf die krisengeschüttelte Lage des Vereins ein Spruchband mit dem Aufdruck „Keine Panik auf der Titanic“ enthüllten und es kurz vor dem Halbzeitpfiff wieder einsammelten, stimmte die Südkurve spontan das gleichnamige Lied von Jürgen Drews an und hörte gefühlt auch bis zum Schluss nicht mehr damit auf. Der Ohrwurm hat viele in den Wochen danach weiter verfolgt. Ein starker, weil spontaner Moment der Kurve. Inzwischen gibt es zur gleichen Melodie mit eigenem Text einen Song der Bayern-Fans.

Niederlage des Jahres: 0:4 gegen Real Madrid

Wenn es um die Niederlagen des Jahres geht, führt an diesem Spiel kein Weg dran vorbei. Zu klar, zu fundamental war die Niederlage gegen die gefräßige Kontermannschaft aus Madrid, die sich folgerichtig den Champions League-Titel sicherte. Auch wenn in der medialen Berichterstattung vieles überhöht wurde, auch für Guardiola selbst war das Spiel eine Zäsur, wie er mehrfach betonte. Er hatte sich nach der knappen 0:1-Hinspielniederlage locken lassen und „gestattete“ seiner Mannschaft einen gleichsam offenen wie riskanten Schlagabtausch. Gut möglich, dass dieses Spiel noch lange als Referenzpunkt für Guardiolas Entwicklung in München herangezogen wird. Der Coach hat angekündigt aus den Fehlern dieser Partie die richtigen Lehren zu ziehen. Ob und wie erfolgreich das umgesetzt worden ist werden die Spiele im Frühjahr 2015 vor allem in der Champions League zeigen.

Schmerzhaftester Abgang des Jahres: Toni Kroos

Auch wenn es auf Grund der starken Vorrunde der Bayern kaum eine Rolle spielte. Es bleibt schon ein komisches Gefühl den ex-Münchener im weißen Hemd der spanischen Hauptstädter brillieren zu sehen. Das Spiel der Königlichen ist wie gemacht für Kroos, der als einer der passsichersten Spieler Europas das Offensivfeuerwerk vor ihm beinahe gelassen dirigieren kann. So sehr es nachvollziehbar war die hohen Gehaltsforderungen Kroos nicht zu erfüllen – so sehr könnte dieser Transfer auch in der Zukunft wenn die Alonsos, Schweinsteigers und Lahms endgültig den Zenit ihrer Leistungsfähigkeit überschritten haben noch einmal weh tun.

Amateure-Spieler des Jahres: Gerrit Wegkamp

Es war ein Neustart für Gerrit Wegkamp, als er im Sommer von Fortuna Düsseldorf zu den Bayern Amateuren wechselte. Als Torschützenkönig der U19-Bundesliga wagte er bereits 2011 den Sprung zu den Profis vom VfL Osnabrück in der 3. Liga. Nach ansprechenden Leistungen und 24 Einsätzen schlug 2012 der damalige Bundesligist Fortuna Düsseldorf zu. Trotz drei Kurzeinsätzen in der Bundesliga geriet die Karriere des bulligen Stürmers dort erst einmal ins Stocken. Auch eine Ausleihe zum MSV Duisburg in der Vorsaison verbesserte die Lage nicht. Wegkamp bat um Auflösung seines Vertrags, um sich den Münchner Bayern anzuschließen. Nach sehr engagiertem aber unglücklichen Start bei den Amateuren, hat der Neuzugang inzwischen voll eingeschlagen.

12 Tore in 22 Spielen bedeuten Rang 1 in der internen Torjägerliste und Rang 5 in der Regionalliga Süd. Auffällig ist, dass sich der von der Veranlagung her eher klassische 9er immer besser an das Anforderungsprofil unter Amateurecoach ten Hag gewöhnt hat. Wegkamp lässt sich immer öfter tief fallen, schleppt Bälle oder weicht auf den Flügel aus. Mit seinem laufintensivem Spiel reißt er zudem immer wieder Mitspieler mit. Gerade deshalb ist er für uns knapp vor Ylli Sallahi der Amateure-Spieler des Jahres 2014.

Kacktor des Jahres: Xherdan Shaqiri beim 6:1 gegen den VfL Wolfsburg

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Es gab viele schön herausgespielte oder vollendete Tore im Bayern-Jahr 2014. Und es gab das 1:1 von Xherdan Shaqiri beim 6:1-Erfolg gegen den VfL Wolfsburg im März 2014. Kroos hatte in einem bis dahin sehr umkämpften Spiel eine Ecke nach innen geflankt. Dante köpfte den am Pfosten verteidigenden Ochs an, der Abpraller landet bei Boateng, der aus drei Metern erneut Ochs anschießt, ehe ein Presschlag den Ball wie eine Billiard-Kugel zu Shaqiri befördert. Dem Schweizer springt der Ball aus kürzester Distanz an den Oberschenkel und von dort in Richtung Tor. Benaglio wehrt diesen Ball zwar noch an die Latte ab, doch diesen Abpraller stolpert Müller aus einem Meter aber endgültig über die Linie. Das Tor wird am Ende Shaqiri zugesprochen, weil dessen Oberschenkel-„Schuss“ bereits hinter der Linie war, als ihn Benaglio an die Latte lenkte. Nicht schön, aber wichtig. Das Kacktor des Jahres 2014.

Taktik des Jahres: 7:1 gegen AS Rom

Auch wenn es gute Argumente für den 2:0-Erfolg mit Dreierkette im DFB-Pokalfinale gibt, die taktischen Feinheiten, die mitentscheidend für die 7:1-Explosion in der Champions League-Vorrunde in Rom waren, überstrahlen aus taktischer Sicht alles. Mehrere Mitglieder der Mannschaft lobten nach der Partie die exakten Vorgaben Guardiolas, wie die Schwachpunkte der Roma zu attackieren seien. Im sich stets anpassenden und veränderten 3-4-2-1 spielte die Guardiola-Elf taktisches Katz und Maus mit dem Gegner. Immer wieder lockten die Münchener die Hauptstädter mit hoher Spielerzahl auf die linke Seite des Spielfelds. Konnte die Überzahl hier nicht für eine schnelle Kombination genutzt werden, riss eine schnelle Verlagerung auf den an der rechten Außenbahn klebenden Robben die komplette Römer Ordnung auseinander und produzierte immer wieder eins gegen eins Situationen zwischen Robben und dem überforderten Ashley Cole. Wenn die Römer Robbens Seite in der Folge stärker sicherten, nutzten die Gäste erneut die linke Seite durch Überladungen für schnelle Kombinationen zwischen Müller, Götze, Lewandowski, Bernat und Alonso. Rom hatte sich vorgenommen die Bayern herauszufordern – als sie sich ab der 40. Minute entschlossen doch lieber wie viele vor ihnen durch eine kompakte Defensive am eigenen Strafraum zu lauern, stand es bereits 5:0. Drei Tore wurden über links eingeleitet. Zwei über Rechts. Aus taktischer Sicht vielleicht der stärkste Moment des Bayern-Jahres 2014.

Kalle des Jahres: „ChampsÉlysées

Karl-Heinz Rummenigge, der uns in der Vergangenheit schon mit Gedichten auf Jahreshauptversammlungen beglückte, ist bekannt für unfreiwillig komische Aussagen und Versprecher. Auch wenn das Jahr 2014 aus seiner Sicht vor allem durch die Sticheleien in Richtung Dortmund geprägt waren, packte er kurz vor Jahresende noch einmal einen Klassiker aus. Weil Franck Ribéry beim 1:0-Erfolg gegen Bayer Leverkusen seinen 100. Treffer im Bayern-Dress erzielte wurde KHR poetisch. „Ich ziehe meinen Hut und sage Champs-Élysées„. Immerhin gesungen hat er nicht. Chapeau!

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