Guardiola Hype Cycle

Jan Trenner 28.07.2013

Zwei Missgeschicke (Tom Starke packt den Ball nicht richtig und Daniel van Buyten köpft – ganz der Stürmer – ins eigene Tor) und Gegentore in den ungünstigen aller Momenten haben zur Niederlage beigetragen. Dennoch muss man anerkennen, dass Borussia Dortmund die Schwächen und Unzulänglichkeiten im neuen Spielsystem auszunutzen wusste. Sie waren stärker und gingen als verdiente Sieger vom Platz. Besonders ihr Pressing, für das sie in den vergangenen Spielzeiten bekannt waren, ist selten so effektiv und konsequent ausgespielt worden. Und es tat uns selten so weh wie gestern Abend.

Leider konnte ich keine detaillierten Spielerstatistiken finden, aber die Quote an Fehlpässen, unkonzentrierten Aktionen beim Spielaufbau oder fehlende Meter bei Offensivaktionen dürfte hoch sein. Die Innenverteidiger konnten 1:1 Situationen nicht wirklich lösen und Thiago erlebte alles andere als einen brillanten Tag auf der 6. Von Rotation und Esprit war im Mittelfeld wenig zu spüren. Vielmehr hatte es den Anschein als fallen die Spieler in das System von Heynckes zurück als sie feststellten, dass das neue 4-1-2-3 (oder 4-1-4-1) keine Durchschlagskraft entfalten konnte. Borussia Dortmund störte mit zwei Spielweisen besonders: Durch das frühe Angehen der Innenverteidiger und gleichzeitiges Zustellen der Räume zu Thiago als Sechser erlaubten sie keine Ruhe im Spielaufbau von Hinten. Weite Pässe kamen oft nicht an oder unsere Mannschaft verlor den zweiten Ball. Des Weiteren machten die Schwarzgelben das Zentrum eng – eigentlich der Ort in dem wir immer einen Spieler mehr haben wollen und mit schnellen Kombinationen spielen sollen – und zwang uns auf die Flügel. Die zwei Tore von Arjen Robben sahen mehr nach Heynckes Flügelspiel als Guardiola Kombinationsfußball aus. Besonders Fehlpässe machten uns die Offensive kaputt. Bei den Lauf- und Passwegen herrscht allerhand Trainingsbedarf.

Aber ich muss sagen, dass mir unser neues Spielsystem grundsätzlich gefällt. Ein Zuckerpass von Thiago auf Thomas Müller, der sich aus der Dortmunder Defensive freigestohlen hatte, zeigte was möglich ist. In Ansätzen sah man auch schon Kombinationen nach vorn. Allein Ansätze und 1-2 grandiose Spielzüge reichen nicht aus. Für mich bleibt die Frage an welche Position Bastian Schweinsteiger zurückkehren wird. Er war gestern alles andere als fit und auch die Einwechslung von Dante ins Mittelfeld – vermutlich um seine Größe und Kopfballstärke auszunutzen – ist eher eine Verlegenheitsoption. Es wird Zeit, dass die Confed Cup Teilnehmer ins Training zurückkehren und 100% Fitness erreichen. Ebenso werden Manuel Neuer und Franck Ribéry gebraucht. Die Explosivität des Franzosen fehlte gestern Abend.

Trotzdem verstehe ich diejenigen nicht die jetzt schon den Kopf in den Sand stecken oder die Hände aus Verzweiflung gen Himmel strecken. Die Umstellung auf ein neues Spielsystem ist notwendig. Auch nach einem Triple. Meiner Meinung nach ist es der beste Zeitpunkt diesen neuen Weg zu gehen statt sich auf dem zwar erfolgreichen, aber inzwischen bekannten System, auszuruhen. Wenn nicht jetzt, wann dann? In zwei Jahren, wenn 4-2-3-1 auch beim FC Bayern keine Erfolge mehr bringt? Nein.

Guardiola Hype Cycle

Eigentlich kam mir Gartners Hype Cycle für Technologien als Scherz in den Sinn, aber diese Kurve von überzogener Erwartung ins Tal der Enttäuschung und über Erleuchtung zur Produktivität ist auch auf den FC Bayern anwendbar. So stelle ich mir die folgenden Wochen und Monate mit unserem neuen Trainer vor:

Pep Guardiola Hype Cycle

Es ist wohl logisch, dass nach einem Monat Training mit dem neuen Coach die Phase der Gewöhnung an das neue Spiel nicht abgeschlossen sein kann. Ohne Zweifel waren die Erfolge in den Testspielen der bisherige Höhepunkt des Guardiola-Hypes. Von »absoluter Dominanz« bis »auf Jahre unschlagbar« hat man in Medien und auf Twitter alles lesen dürfen. Gestern Abend erfolgte die Desillusionierung im Supercup. Man könnte auch sagen: die Pep Euphorie wurde mit vollem Schwung auf den Boden der Tatsachen geknallt. Ich halte diese Niederlage, so sehr sie auch schmerzt oder hätte vermieden werden dürfen, für wichtig. Wichtig für die Mannschaft, noch wichtiger für das Trainerteam und auch für die Fans.

Das neue Spielsystem ist gut, die Spieler befinden sich auf dem Weg es zu verstehen und umzusetzen. Langsam wird der Kader fit sein und vollständig zur Verfügung stehen. Genau dann können wir uns mit den Details von Pep Guardiolas Spielphilosophie befassen.

Meine persönlichen Erwartungen? Es wird laufen wie beim Hype Cycle. Der FC Bayern wird den Supercup analysieren und weiterhin konzentriert bis zum Saisonstart trainieren. In den kommenden Wochen werden wir eine Leistungssteigerung sehen und uns stetig verbessern. Bis zu dem Punkt an dem jeder auf dem Platz System und Spielweise soweit verinnerlicht hat, dass Erfolge herauskommen. Auch bei den Ergebnissen. Vielleicht dauert es noch etwas, aber lasst euch nicht die Zuversicht verderben. Auf gehts ihr Roten!

Supercup: Borussia Dortmund – FC Bayern München 4:2 (1:0)
FC Bayern Starke – Lahm, Boateng, Van Buyten, Alaba – Thiago – Robben, Müller, Kroos (86. Dante), Shaqiri (67. Schweinsteiger) – Mandzukic (75. Pizarro)
Bank Raeder, Rafinha, Contento, Luiz Gustavo
Borussia Dortmund Weidenfeller – Großkreutz, Subotic, Hummels, Schmelzer – Bender (46. Kehl), Sahin – Blaszczykowski (72. Aubameyang), Gündogan (88. Sokratis), Reus – Lewandowski
Tore 1:0 Reus (6.), 1:1 Robben (54.), 2:1 Van Buyten (Eigentor, 56.), 3:1 Gündogan (57.), 3:2 Robben (64.), 4:2 Reus (86.)
Karten Gelb: Boateng