Der HSV im Pokal: Fast chancenlos

Felix Trenner 28.10.2014

Personal

Wie viel wurde in dieser Saison bereits geschrieben über das Personal des Hamburger SV. Der Kader hat auf dem Papier wenige Schwächen, ist vor allem in der Offensive namhaft bestückt und könnte mit dem Spielermaterial locker einen einstelligen Tabellenplatz anvisieren (wenn nicht mehr). Doch das Team von Joe Zinnbauer tut sich immer noch schwer zusammenzufinden, auch wenn momentan fast der gesamte Kader (bis auf die Langzeitverletzten Rajkovic und Beister) zur Verfügung steht. Im Hinblick auf das Spiel am Mittwoch (und in Reflexion auf den letzten Auftritt in Hamburg am 4. Spieltag) lassen sich doch ein paar feine Unterschiede feststellen.

Zum einen freute man sich im Volksparkstadion über einen prominenten Rückkehrer: Rafael van der Vaart ist wieder da und darf auf seiner favorisierten Position, der Zehn, spielen. Dem Niederländer gelingt sicher noch nicht alles, was man ihm jedoch keinesfalls absprechen kann und, gerade im Vergleich zur letzten Saison, zu Gute halten muss, ist sein aufopferungsvoller Einsatz. Der Kapitän zeigte sich bei all seinen Auftritten äußerst lauf- und zweikampfstark und versuchte so ins Spiel zu kommen, was aber nicht immer funktionierte. Eine entscheidende Schwächung, die dem FC Bayern zum Sieg verhelfen könnte, ist die rechte Verteidigerposition. Dennis Diekmeier hatte seine Leistungen gerade in den Griff bekommen, da stoppte ihn im Spiel gegen 1899 Hoffenheim eine Verletzung am Oberschenkel. Sein Ersatz ist der junge Ashton Götz, den Zinnbauer aus der U21 (die momentan übrigens die Regionalliga in Grund und Boden spielt) mitbrachte. Gegen Hoffenheim fand Götz gut ins Spiel, am vergangenen Samstag, bei der 0:3-Niederlage in Berlin, erwischte er jedoch einen katastrophalen Tag und fand kein Mittel gegen Änis Ben-Hatira. In dieser Form dürfte er für Ribery, Götze, Bernat oder andere leichte Beute sein. Stabilisiert hat sich hingegen Jaroslav Drobny, der Rene Adler auch unter dem neuen Trainer aus dem Tor verdrängen konnte (momentan ist Adler ohnehin verletzt). Seine Leistungen waren durchweg solide, auch wenn er seine Schwächen in puncto modernes Torwartspiel nicht mehr ganz ausmerzen wird.

System & Aufstellung

Am System hat sich unter Zinnbauer überhaupt nichts verändert, böse Zungen sprechen davon, Variabilität sei in Hamburg ein Fremdwort. Ein klassisches 4-2-3-1 mit Doppelsechs soll auch gegen den FCB zum Erfolg verhelfen, wie schon beim 0:0 am 4. Spieltag. In der Innenverteidigung bilden Johan Djourou und Heiko Westermann ein Duo zwischen Genie und Wahnsinn – wobei eindeutig der Schweizer an guten Tagen das Genie verkörpert und Westermann an schlechten den Wahnsinn. Immerhin kann Matthias Ostrzolek links die Erwartungen erfüllen, seine Seite war auch gegen die Hertha wesentlich konsistenter, auch wenn seine Ausflüge nach vorne gelegentlich etwas wild und unorganisiert wirken. Das „Prunkstück“ der HSV-Elf ist die Doppelsechs mit Valon Behrami und, wahlweise, Tolgay Arslan oder Lewis Holtby. Behrami sorgt für Ordnung und die nötige Zweikampfhärte – eine echte Verstärkung. Holtby und Arslan hingegen sind momentan nicht wirklich in Topform, was klar zu spüren ist. Offensive Akzente von der Sechs fallen fast komplett weg, im Gegenteil: Behrami muss häufig die Fehler seines Nebenmannes ausgleichen. Auch die offensive Dreierreihe ist noch nicht komplett eingespielt. Müller, van der Vaart und Jansen/Stieber/Holtby haben zusammen enormes Potential, sorgen aber für zu wenige Zuspiele in die Spitze und Torgefahr aus der zweiten Reihe. Betrachtet man nur das Spiel gegen Berlin muss man selbiges für Pierre-Michel Lasogga sagen. Keine Zuspiele, keine Ballkontrolle, keine Torgefahr. Nicht so im Spiel zuvor gegen 1899 Hoffenheim, in dem das gesamte Team eine sehr fokussierte und engagierte Leistung zeigte: Fast jede Aktion, an der Lasogga beteiligt war, endete in einem gefährlichen Torschuss. Kann er diese Leistung dauerhaft abrufen, wird er auch diese Saison die wichtigste Waffe für den HSV werden.

Zusammenfassend gesprochen ist das größte Problem der Nordlichter die fehlende Torgefahr. Wobei beim Blick in die Statistik auffällt: Es sind nicht die Torchancen, die fehlen, sondern die Tore selber. Nur eine von 37 Torchancen nutzt der HSV (der FCB hingegen jede achte) – eine fatale Bilanz.

Das gewisse Etwas

In der Mannschaft das gewisse Etwas zu finden, fällt schwer. Berücksichtigen muss man allerdings: Es ist nicht eines von 34 Bundesligaspielen, sondern, um es mit Pep Guardiola zu sagen, ein Finale. Der HSV geht ohne Druck in das Spiel, der FC Bayern kann sich blamieren. Unter diesen Voraussetzungen kann auch der Auswärtsfaktor sowie das Ergebnis des letzten Spiels eine Rolle spielen – Zinnbauer wird auf diesen psychologischen, emotionalen Faktor setzen.

Prognose

Im Normalfall sollte am Mittwoch nichts passieren. Der HSV ist nicht so defensivstark wie der 1. FC Köln, gegen den sich die Bayern vergleichsweise lange schwer taten und nicht so konterstark wie die Borussia aus Mönchengladbach. Insofern darf aus spieltaktischer Sicht nichts anbrennen, wenn das Team von Pep Guardiola Normalform erreicht. Höchstens der erneute Ausfall von Arjen Robben sowie übertriebene Rotation könnten den Spielfluss zerstreuen und dem HSV eine Chance geben. Der Pokal hat seine eigenen Gesetze – für eine Überraschung am Mittwoch müsste der HSV diese allerdings bis auf das Äußerste ausreizen.