„Guardiola haben wir damals ja nicht bekommen“

Felix Trenner 17.10.2014

Lars, schaut man sich die Spiel-Ergebnisse aus den letzten Jahren an, ist das eine recht desaströse Bilanz. 1:5, 2:6, 0:7 – wie geht man denn als Werder-Fan in das Spiel gegen den FC Bayern?

Ehrlich gesagt, ich kann mich gar nicht erinnern, wann das letzte Mal ein Spiel gegen Bayern so wenig im Vordergrund gestanden hat wie aktuell. Aus Sicht eines Werder-Fans hast du momentan den ganzen Tag 8, 9, 10 Baustellen, über die du dich unterhalten kannst. Momentan ist es eigentlich so, dass sich jeder mit dem übernächsten Spiel gegen den 1. FC Köln beschäftigt. Hier spielt natürlich vor allem die Trainerdiskussion eine Rolle – und für die, denke ich, ist das Spiel am Samstag nicht ausschlaggebend. Ansonsten muss man noch sagen: Ich erinnere mich an den letzten Auftritt der Bayern hier in Bremen – was ich da gesehen habe, war unvergesslich, zum Augen reiben. Konkret erwarte ich von unseren Jungs einfach einen kämpferischen Auftritt am Samstag, dann sollte am Ende auch nicht die Jahrhundertklatsche rauskommen.

Dürfte Dutt auch bei einer hohen Pleite bleiben?

Ich kann mir einfach nicht vorstellen, welches Ausmaß eine Niederlage am Samstag haben müsste, damit man sich nicht noch zumindest dieses eine Spiel Zeit gibt. Insofern glaube ich nicht, dass das Spiel am Samstag irgendwelche personellen Auswirkungen haben wird. Die Mechanismen im Fußballgeschäft sollte man aber trotzdem nie komplett ausschließen.

Aber du hältst Dutt auch weiterhin für den richtigen Mann, oder?

Sagen wir es so: Ich liebe ihn nicht und hab nicht wirklich getanzt, als er kam – da gibt es andere schnauzbärtige Kauze von denen ich das eher hätte behaupten können (lacht). Aber, und das ist das entscheidende: Ich muss ihn auch nicht mögen, sondern der aktuelle Sportdirektor. Dutt ist nicht der absolute Hammer-Trainer – aber man muss auch sagen, es gibt im Moment keine echten Alternativen. Trainer, die vor ein paar Jahren noch Kandidaten waren, kommen heute ja nicht mal mehr zu Besuch nach Bremen. Und jetzt hat sich Schalke auch noch di Matteo geschnappt, Guardiola haben wir damals ja leider nicht bekommen – haste Scheiße am Fuß, haste Scheiße am Fuß, muss man da einfach sagen (lacht).

Vielleicht kurz einige Worte zu der Situation neben dem Platz: Man liest viel von Lemke, Bode, Netzer und externen Investoren – kannst du eine Kurzversion der Geschehnisse in Bremen abgeben?

Man erlebt hier aktuell sowas wie den größten Kulturkampf seit ewigen Zeiten. Zugespitzt formuliert: Die klassische „Werder-Familie“ von früher wird gerade in einem zähen Prozess zu Grabe getragen. Die kuscheligen Zeiten sind nicht nur sportlich, sondern jetzt auch in den übrigen Feldern vorbei, und dabei spielt sicher auch dieser unsägliche 18. Tabellenplatz eine Rolle. Ohne den denke ich nicht, dass es einen derartigen Umbruch gegeben hätte. Thomas Eichin baut sich da ein eigenes Konstrukt mit Personal auf, dem ich durchaus zutraue, Werder wieder neu aufzustellen. Auch in den Aufsichtsräten findet eine Umwälzung statt. Was mir aber gefällt: Die ehemaligen großen Macher wie Lemke und Fischer bekommen einen glimpflichen Abgang.

Gehen wir systematisch vor. Wir analysieren kommende Gegner immer nach dem Schema „Transfers & Personal“, „System“ und „Das gewisse Etwas“. Wie siehst du die im Sommer getätigten Transfers und den Kader im Generellen?

Hätte man mich vor der Saison gefragt, hätte ich gesagt, dass ich sowohl gut finde, was wie investiert wurde als auch was am Ende rausgekommen ist und dass wir es damit packen. Heute würde ich nicht sagen, wir packen es nicht, aber wir sind natürlich mit diesem Kader unter den fünf schwächsten Teams der Liga. In Bremen ist einfach dieses Hoffnungsträgertum immer noch da – und wenn ich mich erinnere, wie wir im Sommer einem Hajrovic entgegengesehnt haben, der im Moment noch überhaupt nicht eingeschlagen hat, ist das natürlich enttäuschend. Auch von Galvez in der Innenverteidigung hat man sich sicher mehr erhofft. Ansonsten bin ich großer Fan von Fin Bartels, ein absoluter Mehrwert und noch richtig entwicklungsfähig. Man muss einfach realistisch bleiben: Einer wie Bartels kostet ein Viertel von Elia, bringt aber viermal so viel auf den Platz. Insgesamt kann ich mit dem Kader bei unseren Möglichkeiten gut leben, di Santo weiß ja mittlerweile auch wöchentlich zu überzeugen. Wenn die Jungs jetzt auch noch das abrufen, was wirklich in ihnen steckt, passt das.

Vor allem Galvez und Hajrovic traust du also schon noch mehr zu?

Auf jeden Fall, die brauchen einfach noch Zeit. Bei Galvez ist natürlich die Position schwieriger – aber wenn wir mit ihnen die Klasse halten, wird das in den nächsten Jahren besser.

Dutt bevorzugt ein 4-4-2 mit Doppelsechs. Wer sind aus deiner Sicht die Schlüsselspieler im System?

Schlüsselspieler – das ist so eine Sache bei der aktuellen Lage. Wenn Junuzovic das Vertrauen bekommt und fit ist, ist er für unser Spiel eminent wichtig. Generell sehe ich uns auch nicht als das Team, das die 1-2 entscheidenden Schlüsselspieler hat. Leider. Hinten drin wundere ich mich doch über Spieler wie Lukimya und Prödl, bei denen man einfach sagen muss: Solang wir im Abstiegskampf 90 Minuten lang die Bälle einfach rausschlagen, ist das okay – wenn wir aber irgendwann auch mal wieder Fußballspielen wollen, ist das natürlich zu wenig. Lukimya ist immer wieder zwischen Gut und Böse, wenn ich den in der 2. Bundesliga beobachtet habe und jetzt bei uns – da glaubst du immer noch, die haben uns ‘nen anderen vor die Nase gesetzt. Was genau bei Caldirola ist, weiß im Moment eigentlich keiner, auf jeden Fall spielt er nicht mehr.

BurningBush78

Am Samstag bekommt es Santiago Garcia wieder mit Arjen Robben zu tun – das Duell vor dem man in Bremen am meisten Angst hat?

Naja, wenn ich sehe wie Santi zum Teil zu Werke geht, sollte eher Robben Angst haben, dass er sein
letztes Spiel macht. Nein, im Ernst: Wenn Garcia den Tag seines Lebens hat, lässt Robben ihn nur fünf Mal stehen. Wenn man’s im Gesamtpaket sieht, ist es aber jetzt nicht dieses eine Duell, vor dem wir uns besonders fürchten, auch wenn da sicher Fußballwelten aufeinanderprallen.

Ein Problem in der Offensive ist sicher der quasi nicht vorhandene Eljero Elia.

Ja, absolut. Da weiß ich noch, als ich damals einen Anruf von einem Kollegen aus dem Trainingslager in Norderney bekommen habe, der mir gesagt hat, Allofs sei gerade mit Elia vorgefahren – und ich hab sofort angefangen, mir den schön zu reden. Eigentlich sagt man ja immer: Wenn jemand den menschlich hinbekommt, dann Werder. Immerhin haben wir schon andere schwerfällige Jugendliche aus Schalke geholt, die jetzt bei Arsenal spielen. Aber: Bei Elia muss man einfach sagen, das ist gar nichts. Von der Torquote her, von der Laufstärke und auch von der Verantwortung ist er einfach ein Totalausfall. Was mich dann endgültig auf die Palme treibt, ist, wenn so einer dann ein paar Stunden nach einem katastrophalen Spiel Fotos von seinen Schuhen auf Instagram postet.

Obraniak ist auch eine ähnliche Personalie, ein Totalausfall.

Bei dem kann ich’s mir auch schwer erklären, was da schief ist. Letzte Saison hat er sicher gute Ansätze gezeigt, war aber physisch noch hinten dran. Jetzt hat er sich komplett mit Dutt überworfen und darf eigentlich auch gerne gehen mit dieser Einstellung. Heute hab ich erst mit einem Kollegen geunkt, wenn Dutt böse ist, bringt er ihn gegen Bayern (lacht).

Nochmal zurück in unser Raster: Was ist Werders „gewisses Etwas“?

Sofern man bei einem Tabellenletzten von „gewissem Etwas“ sprechen kann, dann ist es, dass die Mannschaft es diese Saison schafft, über den Kampf in ein gewisses Offensivspiel zu kommen. Gesehen hat man das vor allem im Spiel gegen Leverkusen (3:3, d. Red.).

Vor 10 Jahren und 5 Monaten wurde Werder in München deutscher Meister – ist das in 10 Jahren wieder möglich, gibt es da eine kleine Chance?

(Überlegt) Naja, ne kleine Chance gibt’s immer – man weiß ja nicht, was Red Bull noch so vorhat (lacht). Nein, im Ernst: Ich persönlich glaube, dass das Erreichen der Europa League für kleine Vereine die Maxime sein wird. Wir müssen jetzt erstmal die Klasse halten, langfristig ist das aber denke ich das Maximum. Dass ich eine Meisterschaft noch erlebe, kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen.

Wir danken Lars für das Interview und wünschen außerhalb des nächsten Samstags eine gute Saison.